Auf einer Farm zu arbeiten war schon immer ein Traum! Aber nicht von mir, sondern von Emely. Deshalb habe ich mich sehr gerne darauf eingelassen, dass wir unsere Jobsuche auf Farmarbeit konzentrieren…solange es kein Fruitpicking (also das Ernten von saisonalen Früchten, das meistens sehr schlecht bezahlt wird) ist. Da waren wir uns beide einig. Als wir dann relativ schnell auch was gefunden hatten und der erste Eindruck sehr gut war, fing auch ich an mich richtig auf die Arbeit und die neuen Erfahrungen zu freuen. Und die waren zu Anfang auch durchweg positiv. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, die vielen Facetten der Landwirtschaft hier in Westaustralien zu erleben. Mit den Kühen, die auf schier unendlichen Weiden stehen, zu arbeiten hatte schon was sehr romantisches und hat viele Klischees aus Filmen erfüllt. Und auch als die Ernte begann, hatte ich zunächst ein Gefühl etwas sehr sinnvolles zu tun, das ein wichtiger Beitrag zum Leben vieler Menschen ist, nämlich das Getreide einzuholen, woraus das Brot für die Australier gemacht wird. Ich habe mir oft vorgestellt, wie meine Vorfahren die gleiche Arbeit vor 100 Jahren getan haben. Doch könnte der Unterschied kaum größer sein. Damals noch mit Vieh und Karren und dem Dreschflegel und ich heutzutage in einem hochmodernen Traktor hinter einem tonnenschweren Hightech-Mähdrescher her. Dieser technologische Fortschritt hat mich begeistert und es hat mir sehr viel Freude gemacht, die technischen Abläufe - vor allem des Mähdreschers - immer mehr zu verstehen. Doch auch wenn mein Verstand sehr an allem interessiert war, haben meine Hände leider nicht immer das eingehalten, was für manche Aufgaben nötig war. Alles auf dem Feld war kein Problem, aber vor allem am Anfang habe ich noch viel und oft in der Werkstatt mitgeholfen. Was mich dort sehr angestrengt hat, waren Arbeiten an Motoren und Getrieben und generell alles wo man mit den Händen in engen Zwischenräumen allerlei kleine Schrauben und Muttern lösen oder befestigen muss. Meine Hände sind für solch eine Fummelarbeit einfach zu groß und ungelenk. Und so habe ich für diese Arbeiten immer etwas länger gebraucht und hatte das Gefühl, dass ich nicht unbedingt eine große Hilfe bin. Und das frustriert! Hinzu kam dann noch, dass Trevor, der Bauer, anfangs noch sehr viel damit zu tun hatte alles für die Ernte in Gang zu bringen und er deshalb nicht viel Zeit dafür hatte sich Aufgaben für mich zu überlegen. Und deshalb habe ich oft die „Drecksarbeit“ bekommen, die gefühlt niemand sonst machen wollte.
All diese kleinen Pleiten zusammen haben mir außerdem das Gefühl gegeben, dass Trevor nicht sonderlich viel von mir hält wo hingegen Emely sich wunderbar mit ihm verstanden hat. Vielleicht hatte das auch ein bisschen damit zu, dass Emely immer morgens mit ihm gearbeitet hat und ich abends, wenn er aufgrund von Müdigkeit schon immer sehr wortkarg wurde. Wie auch immer. Nach einer gewissen Zeit hier auf der Farm habe ich die Arbeit nicht mehr wirklich gerne gemacht und das monotone Traktor fahren hat auch irgendwann seinen Reiz verloren. Mit den vielen Ausfällen und den Unwettern kam dann die Ungewissheit noch mit ins Spiel und ich bin nur sehr selten auf die Stunden gekommen, die ich mir erhofft habe. Sehr nervig! Aber immerhin haben wir beide die viele freie Zeit genutzt, um uns Gedanken über alle möglichen Dinge zu machen und viel über uns zu lernen. Auch das muss manchmal sein! Und so hat die ganze Zeit dort, auch wenn sie zuweilen für mich extrem frustrierend und mental anstrengend war, doch was für sich gehabt. Eine Sache, die ich daraus mitnehme ist, dass ich mir niemals vorstellen könnte, Bauer zu sein. Ich finde die Arbeit zwar sehr ehrenwert, aber mein Eindruck ist, dass der größte Teil der Arbeit darin besteht Probleme zu lösen. Immer wieder neu auftretende, wiederkehrende Problem, die es nicht interessiert, ob man Feierabend hat oder Pause. Und somit bewegt man sich andauernd in einem Kreislauf von Problemen. Ich denke mir, dass das irgendwann unausweichlich bitter macht. Zumindest hat man bei einigen Bauern den Eindruck, denn in deren Augen ist man nichts wert, wenn man nichts von ihrer Welt versteht. Und weil ich so eine Ebene der Bitterkeit niemals erreichen will, kann ich es mir nicht vorstellen Bauer zu sein.
Hallo meine beiden Weltreisenden,
mit großem Interesse habe ich Eure beiden so unterschiedlichen Berichte gelesen und mich darüber gefreut, wie offen Ihr Eure Empfindungen und Eure Gefühle darstellt. Beide habt Ihr offensichtlich die Zeit auf der Farm genutzt, tiefgründig über Euch selbst nachzudenken. Das ist nicht leicht, aber wichtig ! Wir wünschen Euch jetzt alles Gute und viel Glück für die nächste Etappe Eurer Reise. Alles Liebe von
Oma & Opa