Nun ist es soweit und wir berichten euch was wir die letzten vier Wochen gemacht haben.
Leben gerettet - gearbeitet - gearbeitet - ja und gekillt, aber ansonsten gearbeitet!
Okay das klingt echt hart und schlimm, doch ganz so ist es nicht. Wie ihr schon wisst sind wir erneut auf einer Farm, um etwas Geld zu verdienen, nur diesmal im Outback von New South Wales. Und wir hatten wieder einmal großes Glück!
Kurz zu unseren neuen Chefs: das ist einmal Stu (Stuart) und seine Frau Sue (Susan). Sie wohnen ca. 15km von der kleinen Stadt Nyngan entfernt, in der wir unsere Wohnung haben. Also wie ihr erahnen könnt, wir fahren jeden Morgen zu Ihnen auf die Farm und arbeiten zwischen acht und elf Stunden am Tag und fahren am Abend wieder zurück. Das liegt daran, dass gerade eine große Trockenperiode seit 2,5 Jahren herrscht und Stu und Sue damit nicht mehr so viel Wasser haben. Sonst wäre es sicherlich gar kein Problem mit bei Ihnen im großen Haus zu leben. Die Beiden haben vier Kinder im Alter von 17-24 Jahren. Genau passend wie wir, doch leben die drei Töchter und der Sohn in Sydney bzw. eine Tochter in Newcastle. Da die Kinder in unserem Alter sind vermuten wir, war auch gleich eine gute Verbindung zwischen Stu und Sue da, aber auch ohne diesen Faktor sind die beiden einfach so herzlich zu uns, dass wir uns richtig wohl fühlen!
Doch alleine die Fahrt nach Nyngan war ein Abenteuer. Wir sind an einem Tag direkt von Melbourne bis nach Nyngan gefahren, das waren insgesamt 12 Stunden, die wir gefahren sind. Ungefähr 30 km vorm Ziel wurde es dunkel und unzählige Kängurus standen am Straßenrand oder kreuzten die Straße, sodass wir noch langsamer fuhren mussten. 10km vor Nyngan war es bereits schon stockdunkel und plötzlich sahen wir auf der linken Straßenseite ein Auto im Baum hängen bei dem noch die Lichter brannten. Ich fragte Finn: „ hast du das gesehen?“. Darauf antwortete er: „ ja - shit was sollen wir denn jetzt machen?“, darauf antwortete ich hecktisch: „ Wir müssen sofort umdrehen!!!“. Gesagt getan! Finn drehte um und wir fuhren zurück zu der Unfallstelle. Und wie der Zufall es wollte kam uns ein weiteres Auto entgegen. Das war pures Glück, denn so viele Autos fuhren da nicht.
Mit Lichthupe zeigten wir dem Auto, dass es halten sollte. Wir stiegen aus und als das Auto gegenüber von uns hielt war der Sprung von dem Australier aus dem Fahrzeug zu der Unfallstelle ein Riesensatz. Als er an dem Auto stand rief er schon (in Englisch): „ jemand muss den Krankenwagen rufen!!“ Blöderweise wussten wir nicht mal diese Nummer. Doch er war nicht alleine, weshalb jemand in seinem Auto bereits das Handy gezückt hatte und anrief. Der Mann kam zurück nahm das Handy und meinte noch zu uns, dass wir zu der Person im Auto hingehen sollten und auf ihn acht geben sollten, da er schlecht aussieht. Wir beide rannten zu ihm hin. In der Situation war es uns völlig egal, dass es im Wald war und wir noch durch etwas Wasser laufen mussten. Dieses Bild was wir dann vorfanden, werden wir nie aus dem Kopf bekommen. Der Verunfallte lag völlig verdreht auf dem Beifahrersitz, wobei das eine Bein noch halb auf der Fahrerseite fest hing. Der Kopf lag geneigt an der Tür, die bereit schon kein Glas mehr hatte. Das Auto war einmal um den dort stehenden Baum gewickelt bzw. war der halbe Baum im Auto. Dass dieser Mann überlebt hat, war ein Wunder. Wir fragten ihn direkt ob er uns hören könne und darauf gab er ein leises “ja” von sich . Danach sagten wir ihm, dass er nicht alleine sei und wir ihm Hilfe holen. Wir stellten uns kurz mit unserem Namen vor und redeten ruhig auf ihn ein. Ich fragte ihn noch ein paar erste Hilfe (med.) Fragen. Damit wir ihn im Falle eines Bruches - besondere Vorsicht liegt auf die Wirbelsäule - stoppen können sich zu bewegen. Wir blieben eine ganze Weile bei dem Verunglückten und sprachen mit ihm. Er konnte zum Glück alles bewegen und hatte zumindest äußerlich erst einmal keinen so großen Schaden davongetragen. Als er meinte wir sollen seinen Bruder anrufen nahmen wir sein Handy und als wir es öffneten erschien ein Familienbild im Bildschirm. Das war hart, denn er ist in dem Alter von unseren Eltern und seine Kinder in dem Alter ca von uns. Das liess uns ganz kurz einfrieren. Doch zum Glück kam der andere Mann, der Hilfe gerufen hatte zurück und meinte er habe bereits seinen Bruder angerufen. Also kannte er ihn. Wir waren froh, dass er den Part übernommen hatte um Hilfe zu rufen, denn wir hätten gar nicht richtig gewusst wo wir sind.
Der verunfallte Mann fragte Finn noch ob er mit seinem Auto nach Hause fahren könne... doch das ging definitiv nicht mehr. Er konnte nicht einmal aussteigen, so war die Tür eingeklemmt, selbst eine Brechstange half da nicht. Ich habe selbst noch das Auto ausgemacht und Finn hielt die ganze Zeit seine Hand. Bis der Krankenwagen kam, die Polizei und zwei FeuerwehrLKWs. Die ganze Straße stand nun voller Autos mitten im Wald. Ich hielt dem Sanitäter noch die ganze Zeit das Licht. Später kam noch sein Bruder dazu, der etwas gefühlskalt wirkte. Wie wir schon von dem Mann selbst erfuhren und später auch von unseren Farmern - war er nur zu Besuch bei seinem Bruder, da ein Freund verstorben ist und die Beerdigung war. Dort hatte er ein paar Bier über den Durst getrunken und ist später dann am Steuer eingeschlafen. Ja den Rest kennt ihr ja. Das heftige ist, sein Freund ist aus genau so einem Grund gestorben - getrunken und einen Unfall gebaut, nur nicht so viel Glück gehabt wie er an diesem Tage. Und wäre das Auto nicht an geblieben, hätte man ihn gar nicht wahrgenommen. Er hatte mehr als Glück! Als er selbst realisierte was er für Mist gebaut hat, hat er sich auch selbst verflucht und geweint.
Das war auf jeden Fall eine krasse Begrüßung von Nyngan an uns. Relativ schnell wusste die ganze Kleinstadt von zwei deutschen Backpackern. 😬
Am nächsten Tag begann direkt unser erster Arbeitstag. Fragt nicht wie wir geschlafen haben... vor allem ich bin ständig aufgewacht und hatte die Bilder von dem Unfall vor Augen. Doch Stu und Sue waren entspannt und meinten: “heute macht ihr nur einen kurzen Tag, damit ihr euch noch etwas von dem Schreck erholen könnt.” Wie schon erwähnt, sie sind super lieb.
Doch das Retten ging weiter. Einen Tag bevor wir kamen wurden die kleinen Kälber auf der Farm von ihren Müttern getrennt. Ach wir sollten vielleicht noch hinzu fügen, dass die Farm auf der wir arbeiten Feldbewirtschaftung hat und Angus-Rinder hält. Doch aufgrund des Wassermangels mussten sie die Mutterkühe verkaufen. Zurück blieben die ganz kleinen, die noch Milch brauchten. Da sie noch keine richtigen Tränken hatten, hatten sie improvisiert. Doch leider nahmen die kleinen das nicht so richtig an. Anderes Problem: die kleinen standen in der prallen Sonne. Erstmal gaben wir den kleinen extra Milch und mussten sie animieren zu trinken. Wir regten den Saug- und den Schluckreflex, sowie den Verdauungstrakt an. Bei manchen ging das schneller als bei anderen. Nach dem Mittag bauten wir mit großen Planen ein schattiges Plätzchen damit sie nicht der vollen Sonne ausgesetzt sind. An diesem Tag kamen auch noch die Sandstürme hinzu. Nach dem wir fertig waren sagte ich zu Finn: “Finn manche sehen hier gar nicht gut aus, ich glaube wir müssen die noch mal tränken und animieren!” Und so war es auch! Teilweise mussten wir sie vollständig halten, damit sie überhaupt trinken konnten. Es dauerte einige Zeit bis sie sich selbstständig auf den Beinen halten konnten. Manche hatten sich schon richtig aufgegeben und Schnappatmung gehabt. Diese haben wir besonders gestreichelt und besonders versucht Milch zu geben. Nach dem alle wieder standen und getrunken hatten, hofften wir, dass sie die Nacht überlebten. Stu und Sue gingen noch einmal in der Nacht nach Ihnen schauen und meinten am nächsten Tag zu uns, dass wir sehr gute Arbeit geleistet haben und alle überlebt haben. Darüber waren wir überglücklich! Auf Wunsch der Kälber wurden auch richtige Tränken gekauft, womit wir die kleinen leichter tränken konnten. Doch die erste Woche mussten wir um ungefähr drei Kälber kämpfen, aber dank uns haben alle überlebt und sind jetzt ganz hungrige und super süße Mäuler! ☺️
Was neben den Kälbern noch an Arbeit ansteht, ist zum einen Äste aufsammeln vom Feld und kleine Bäume mit einer chemischen Mischung (unter anderem auch mit Glyphosat) zu besprühen, damit sie eingehen und die Feldarbeit nicht stören. Für das Besprühen der Bäume haben wir jeder ein Quad auf dem hinten ein Tank draufsteht und eine Sprühdüse zum sprühen. Eigentlich ganz cool, aber auch sehr eintönig. Zum Glück gibt es Musik und Podcast für die Ohren, damit ist es nur halb so langweilig!
Außerdem müssen wir noch alte Zäune entfernen, was länger und anstrengender ist als gedacht. In nächster Zeit sollen wir noch einen neuen Zaun ziehen. Wir vermuten, dass das auch länger dauert als wir jetzt denken.
Sonst helfen wir noch überall wo Hilfe benötigt wird. Stu dachte noch, dass ich (Emely) einen Damm ausbaggern könnte, doch mit einer Maschine, die alleine schon 35 Tonnen wiegt mit einer Schaufel in die 12 Tonnen Erde passen, war ich etwas zu zaghaft. Deshalb hat Stu es jetzt doch selbst in die Hand genommen. Er dachte Frauen haben ein besseres Feingefühl, um es ordentlich zu machen, doch ich glaube er realisierte, dass das ein etwas zu großes Gerät für uns ist.
Unseren Tag beenden wir immer mit den Kühen und versorgen sie erneut.
Da sie auch noch ein paar größere Kühe haben und wir diese auch versorgen, fahren wir hierfür immer den Traktor und geben ihnen alle paar Tage einen Strohballen zum fressen.
Und genau dabei passierte uns vor einer Woche etwas Schreckliches.
Die Kühe haben immer ein Metallgerüst in das der Strohballen hinein getan wird, um von dort aus zu fressen. An dem Tag habe ich die Kühe weggescheucht und Finn fuhr den Traktor. Als wir Ihnen einen neuen Strohballen gegeben haben, wollten wir noch für unsere ganz kleinen etwas Stroh abmachen, damit sie auch etwas zu knabbern haben. Als ich die großen etwas wegscheuchte, um an den Ballen zu gelangen, sah ich plötzlich eine Kuh, die zwischen dem Metall und den Ballen mit ihrem Kopf steckte. Sie hing leblos drinnen und ich schrie sofort zu Finn: “Du hast eine Kuh umgebracht!” Ich rannte zu ihm und meinte: “Du musst Stu anrufen und ihm das sagen!” Da erwiderte er mir mit großen Augen und zittriger Stimme: “Nein - Nein, das kann ich nicht!” Verstand ich sofort und übernahm es. Doch als ich ihm die Situation schilderte fing ich ganz schrecklich an zu weinen. Ich hatte das gar nicht unter Kontrolle. Stu kam direkt zu uns gefahren und Finn hob den Ballen an und die Kuh viel leblos durch das Gitter. Als Stu ankam schaute er ob die Kuh noch irgendwelche Lebenszeichen hatte, doch da war nichts mehr. Ich weinte ganz schrecklich, weil es mir so leid tat, was wir getan hatten. Doch Stu war voll lieb zu uns, beruhigte mich und sagte zu uns: “Es ist alles gut! Wichtig ist, dass euch nichts passiert. Es ist schade um die Kuh, aber das passiert.” Wir konnten es nicht fassen wie gut er zu uns war. Wir wollten direkt danach nach Hause gehen. Doch er meinte, dass wir noch ein Bier trinken sollten. Das war richtig gut, denn so konnten wir noch etwas reden und auch auf andere Gedanken kommen, doch noch viel wichtiger unser Verhältnis litt nicht darunter. Die Beiden sind so wahnsinnig rücksichtsvoll und verständnisvoll. Wahnsinn!
Nun sind vier Wochen vergangen und wir haben schon allerhand erlebt und auch mit ihnen zusammen gemacht. Wir waren bereits zusammen mit Stu Angeln (nächster Beitrag) haben für sie Burger zubereitet und mit ihnen zusammen ein Rugby Spiel in ihrem Kinoraum geschaut.
Doch hat sich seit gestern etwas in unserem Tagesrhythmus geändert! Da es gerade keine Aussicht auf Regen gibt, verkaufen die Beiden auch ihre restlichen Kühe. Für die Kleinen gab es schon einen Käufer, der sie gestern mit einem großen Viehtransporter abholte. Das war erneut ein einschneidendes Erlebnis für uns, denn wir haben seit Wochen die Kleinen zwei mal am Tag versorgt, sie waren mittlerweile so zahm und liebebedürftig, dass wir gern und auch nicht wenig Zeit bei Ihnen verbrachten. Und schnips sind sie weg. Schon alleine wenn ich das schreibe beginnt mein Herz wieder an zu schmerzen. Als wir sie in den Transporter trieben kullerten nur so die Tränen über mein Gesicht und mein Herz schmerzte sehr. Doch das ist das Leben und das weiß ich auch. Wir freuten uns für Stu und Sue und dennoch waren wir beide super traurig. Unsere Lieblinge wollten gar nicht in den LKW und „Hoppy“ (das humpelnde Kälbchen), die uns nie von der Seite wich, blieb bis ganz zu letzt bei Finn stehen. Der Abschied war so schwer! 😔😪 Wir hoffen aus tiefstem Herzen, dass es ihnen gut geht und sie dort auch so wertgeschätzt werden wie von uns. Und selbst da war Stu wieder ultra lieb zu uns und verstand voll wie es uns erging. Außerdem dankte er uns, dass wir alle durchgebracht hatten, denn das hatten sie nicht gedacht, dass sie das schaffen würden.
Was wir noch hinzufügen wollen ist, dass Stu und Sue uns jeden Tag Danke sagen, dass wir da sind und ihnen helfen, obwohl wir Geld bekommen. Wahnsinn! Und sie wünschten sich sehr, dass wir noch zur Saat bleiben. Doch haben wir schon unseren Plan, den wir ungern verwerfen wollen und eine Deadline. Aber wir werden versuchen so lang wie möglich hier zubleiben. Denn es geht uns trotz aller Aufregung hier sehr gut. 😊 Mehr Familie als Arbeitsverhältnis. 😉
Hallo Opa,
wir freuen uns sehr, dass du das so gut nachempfinden kannst und ich jetzt auch mal einen Eindruck davon bekomme, wie das vielleicht annähernd war damals in deiner Jugend. Natürlich haben wir hier modernere Geräte, die uns einen Großteil der Arbeit abnehmen, die ihr damals per Hand ausüben musstet, aber trotzdem bin ich sehr froh darüber diese Erfahrungen mit all ihren Härten zu machen.
Wir haben schon ein bisschen Bammel vor dem Tag an dem wir uns verabschieden müssen, aber freuen uns auch gleichzeitig immer näher an den Tag zu kommen an dem wir euch wiedersehen!
Ganz liebe Grüße von Finn und Emely
Liebe Emely, lieber Finn,
ich bin so stolz auf Euch und fühle mit Euch. Euer Bericht hat auch mir viel abverlangt, weil ich an so manche Situation in meiner Jugend auf unserem Hof erinnert wurde. Ihr beide seid einmalig tüchtig und es ist kein Wunder, dass Stu und Sue Euch in ihr Herz geschlossen haben. Es fällt mir heute richtig schwer, zu" kommentieren". So wünsche ich Euch für den Rest Eurer Reise etwas weniger Aufregung und Abenteuer. Kommt bald und gesund nach Hause.
Alles Liebe und viele Grüße von
Oma & Opa